Wie gelingt es Menschen, trotz Krisen stark zu bleiben? Entdecken Sie, wie Resilienz entsteht und wie sie in der Psychotherapie gefördert werden kann.
Inhalt:
- Was ist Resilienz?
- Schlüsselaspekte der Resilienzförderung
- Die Rolle der Achtsamkeit
Die innere Widerstandsfähigkeit von KlientInnen zu stärken und zu entwickeln, ist eine zentrale Aufgabe auf Ihrem Weg als PsychotherapeutIn. Resilienz war und ist eine lebensnotwendige Kompetenz, um in Kriegs- und Hungerzeiten wieder Mut zu fassen oder bei persönlichen Schicksalsschlägen und Krisen die Kraft zu finden, die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern.
Im Rahmen einer Psychotherapie kann Resilienz gezielt gefördert und stabilisiert werden, etwa indem psychische Funktionen wie Introspektions- oder Konfliktfähigkeit trainiert werden. Dies alles trägt dazu bei, dass Menschen sich im Alltag weniger fragil und verwundbar fühlen.
Stephen R. Covey
Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.
Wie dieser Raum wahrgenommen und erweitert werden kann, ist Thema dieses Artikels. Ein Blick auf die Geschichte des Begriffs Resilienz zeigt, wie universell und unabhängig von verschiedenen Therapieschulen diese Fähigkeit gelehrt und wiederentdeckt werden kann.
Was ist Resilienz?
Verständnis, Geschichte und Schutzfaktoren
Resilienz bezeichnet die psychische Widerstandsfähigkeit von Menschen – also die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen, Krisen oder Katastrophen ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen und sich trotz widriger Umstände gesund zu entwickeln. Der Begriff leitet sich vom lateinischen resilire (zurückspringen, abprallen) ab und wurde ursprünglich in der Werkstoffkunde verwendet, um Materialien zu beschreiben, die nach starker Beanspruchung wieder in ihre ursprüngliche Form zurückkehren.
Im psychologischen Kontext steht Resilienz für eine gesunde und altersgemäße Entwicklung trotz gravierender Belastungen, wie ungünstiger Lebensumstände oder kritischer Lebensereignisse. Im Mittelpunkt steht dabei die erfolgreiche Bewältigung von belastenden und potenziell traumatischen Erfahrungen.
Salutogenese und Resilienzfaktoren
Die Resilienzforschung knüpft eng an das von Aaron Antonovsky entwickelte Konzept der Salutogenese an. Während sich die Schulmedizin vor allem mit Risikofaktoren und der Entstehung von Krankheiten (Pathogenese) beschäftigt, fragt die Salutogenese: „Was erhält Menschen gesund?“ Im Mittelpunkt stehen Schutzfaktoren – auch protektive Faktoren oder Ressourcen genannt –, die sich stärkend auf die psychische und physische Gesundheit auswirken.
Die Forschung unterscheidet zwischen personalen (inneren) und sozialen (externen) Schutzfaktoren:
- Personale Schutzfaktoren umfassen individuelle Kompetenzen und Eigenschaften wie Selbstwirksamkeit, Selbstregulation, Optimismus, Problemlösefähigkeiten, die Fähigkeit zum Erleben positiver Emotionen sowie ein stabiles Immunsystem und körperliche Gesundheit.
- Soziale Schutzfaktoren beziehen sich auf die unterstützende soziale Umwelt: stabile Bindungen, soziale Netzwerke, Partnerschaften, Freundschaften, unterstützende Beziehungen zu Bezugspersonen, aber auch grundlegende Lebensbedingungen wie Ernährung, Wohnraum und Arbeit.
Die aktuelle Forschung zeigt, dass besonders eine unterstützende und zugewandte Beziehung – sei es zu Bezugspersonen, Familie oder FreundInnen – als stabilster Prädiktor für eine resiliente Entwicklung gilt (Luthar, 2006). Für Kinder und Jugendliche sind zudem eine gute Bindung zu den Eltern, klare Strukturen im familiären Alltag und unterstützende Beziehungen zu pädagogischen Fachkräften wichtige Schutzfaktoren.
Dynamik und Kontextabhängigkeit
In früheren Ansätzen wurde Resilienz häufig als stabile Persönlichkeitseigenschaft betrachtet. Heute wird sie als dynamische Fähigkeit verstanden, die sich im Laufe des Lebens und in Wechselwirkung mit Umweltfaktoren entwickelt. Die Wirkung einzelner Schutzfaktoren ist dabei stark kontextabhängig: Was in der einen Situation schützt, kann in einer anderen weniger hilfreich oder sogar hinderlich sein. So kann z.B. ein vermeidender Bewältigungsstil unter extremen Belastungen kurzfristig entlastend wirken, während er in anderen Situationen eher ungünstig ist.
Entscheidend für Resilienz ist die Fähigkeit zur flexiblen Selbstregulation: Dazu gehören die realistische Wahrnehmung und Einschätzung von Situationen (Kontextsensitivität), ein breites Repertoire an Bewältigungsstrategien und die Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen (Feedback-Reaktivität).

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Schlüsselaspekte der Resilienzförderung
Welche Fähigkeiten werden gezielt gefördert, um die innere Widerstandsfähigkeit zu stärken? Die wichtigsten sind:
- Identifizieren und Überwinden von Stresssituationen und psychischen Belastungen
Beispiel: Eine Klientin lernt, belastende Situationen frühzeitig zu erkennen und mit Hilfe von Entspannungsübungen und gezielten Bewältigungsstrategien gegenzusteuern. - Entwickeln und Einüben von Problemlösungsstrategien
Beispiel: In Rollenspielen werden alternative Verhaltensweisen für schwierige oder konflikthafte Situationen eingeübt und erprobt. - Gutes Selbstgefühl und Selbstfürsorge aufbauen
Beispiel: Durch das Führen eines Selbstfürsorgetagebuchs wird der Fokus auf die eigenen Bedürfnisse und Ressourcen gelenkt. - Persönliche Stärken entwickeln und das Selbstbild verbessern
Beispiel: Die Therapeutin erarbeitet mit dem Klienten, welche Stärken ihm in früheren Krisen geholfen haben, und wie diese im Alltag genutzt werden können. - Soziale Ressourcen und Bindungen stärken
Beispiel: Aufbau eines unterstützenden Netzwerkes durch Teilnahme an Gruppenangeboten oder das Training von Kommunikationsfähigkeiten.
Die Rolle der Achtsamkeit
Achtsamkeitstraining ist ein zentrales Element der Resilienzförderung. Es hilft, den „Raum zwischen Reiz und Reaktion“ (Frankl) bewusst wahrzunehmen und zu erweitern. Studien belegen, dass regelmäßige Achtsamkeitsübungen Stress reduzieren und die psychische Widerstandsfähigkeit erhöhen (vgl. Kabat-Zinn, Gesund durch Meditation, 2013).
Achtsamkeitsübungen lassen sich gut in Therapiesitzungen integrieren. Nicht alle Aspekte der Resilienz können belastete Menschen alleine entwickeln. Hier unterstützen TherapeutInnen, tragfähige Bindungen aufzubauen und ein soziales Netzwerk zu schaffen. Dies setzt auch die Entwicklung von Kommunikationsfähigkeit sowie Selbst- und Fremdwahrnehmung voraus.
Schlussgedanken: Resilienz als Chance zur Veränderung
Resilienz ist keine starre Eigenschaft, die manche Menschen besitzen und andere nicht. Die ersten 1000 Tage eines Menschenlebens sind prägend, aber auch später sind durch gezielte Interventionen Veränderungen und Fortschritte möglich, selbst bei früh belasteten Menschen. Resilienz ist ein lebenslanger Lern- und Entwicklungsprozess, der den Blick auf die eigene Persönlichkeit und das gesamte Umfeld verändern kann. Carl Gustav Jung formulierte es bereits vor 100 Jahren so:
Carl Gustav Jung

Wir sind nicht Opfer der Welt, die uns umgibt, sondern Opfer der Art und Weise, wie wir sie sehen.
Quellen:
- Frankl, V. E. (1985). Der Mensch auf der Suche nach Sinn.
- Kabat-Zinn, J. (2013). Gesund durch Meditation.
- Jung, C. G. (1928). Gesammelte Werke.
- Werner, E., & Smith, R. (1982). Vulnerable but Invincible.
- Cyrulnik, B. (2009). Resilience: How Your Inner Strength Can Set You Free from the Past.