Die innere Widerstandsfähigkeit von Klienten zu stärken und zu entwickeln, das wird eine zentrale Aufgabe sein auf Ihren Wegen als Psychotherapeut. Resilienz war und ist eine lebenswichtige Fähigkeit, sei es um in Zeiten von Kriegen und Hungersnöten wieder Mut zu schöpfen oder bei persönlichen Rückschlägen und Krisen die Kraft zu haben, sich den daraus resultierenden Herausforderungen zu stellen. Im Rahmen einer Psychotherapie kann Resilienz gefördert und somit stabilisiert werden, indem beispielsweise psychische Funktionen, wie die Einsichtsfähigkeit/Introspektion oder die Konfliktfähigkeit, trainiert werden. Dies alles kann dazu beitragen, dass sich Menschen in ihrem Alltag weniger fragil und verwundbar bewegen.

„Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“

So formulierte Victor E. Frankl, Begründer der Logotherapie, bereits vor Jahrzehnten diese Möglichkeit als Chance. Wie dieser Raum wahrgenommen und erweitert werden kann, davon wird hier die Rede sein. Ein kurzer Blick auf die Geschichte des Begriffes Resilienz macht deutlich, wie diese Fähigkeit universell und unabhängig von unterschiedlichen Therapieschulen gelehrt und wiederentdeckt werden kann.

Resilienz – Verständnis und Geschichte

Wer schwierige Situationen übersteht, eventuell sogar gestärkt aus ihnen hervorgeht, hat eine hohe innere Widerstandsfähigkeit. In der Psychologie wird Resilienz als Fähigkeit angesehen, belastende Situationen, existentielle Krisen und Rückschläge ohne längerfristige schädliche Wirkung auf psychische und physische Gesundheit zu überstehen. Der lateinische Ursprung des Wortes Resilienz bedeutet „abprallen, zurückspringen“. Zunächst wurde vor über 50 Jahren mit Resilienz die Fähigkeit von Materialien bezeichnet, sich nach Belastung in die ursprüngliche Form zurückzuentwickeln. Psychologen übertrugen in den 1970er Jahren den Begriff auf lebensgeschichtliche Voraussetzungen, die etwa Kinder trotz schwierigsten Lebensumständen seelisch gesund blieben ließen . So taten es beispielsweise Emmy Werner und Michael Rutter. Als wichtigster Faktor war hier eine stabile, verlässliche Bezugsperson zu erkennen, die nicht zwangsläufig Vater oder Mutter sein musste. Es war also naheliegend, dass für die innere Widerstandskraft sehr früh, in verinnerlichten Beziehungsmodell verankerte Ressourcen, wie Vertrauen, notwendig waren. 

Boris Cyrulnik, ein legendärer Neurowissenschaftler und selbst durch den Holocaust traumatisiert, weist darauf hin, dass er statt des Bildes einer sich in den Ursprungszustand zurückentwickelnden Materialresilienz eine Analogie aus der Landwirtschaft vorzieht: Nach schwerer Überschwemmung und Flächenbränden entsteht wieder neues Leben, dass aber anders sein wird als vor der Katastrophe.

Zunehmend wird Resilienz aber auch als dynamischer Prozess begriffen: Sie kann analog zur Stressresistenz und zu kognitiven Fähigkeiten, aber auch wie Muskelkraft oder körperliche Beweglichkeit durch entsprechendes Training und entsprechenden Lebensstil gefördert und verbessert werden. 

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Resilienz aus Sicht psychotherapeutischer Schulen

Das auffälligste Merkmal der Psychoanalyse ist die Introspektion. Diese kann genutzt werden, eigene Binnenkonflikte wahrzunehmen und auch als Schatten zu erkennen. Ein besseres Selbstverständnis ist das Ziel, was eine gute Basis für Resilienz bietet. Auch die Umdeutung von bislang selbstschädigenden Mustern ist möglich und stärkt die innere Widerstandsfähigkeit.

Die Kognitive Verhaltenstherapie CBT setzt deshalb oft  bei negativen Denkmustern und resultierendem Verhalten an. Hier stehen in Therapie umfangreiche Techniken für kognitives Umstrukturieren zur Verfügung. Schon ein Begründer der CBT, Aaron T. Beck, bezeichnete in den 1940er Jahren einen solchen heilsamen und stabilisieren Effekt als „kognitive Neubewertung“.

Die Humanistische Therapie (Gesprächstherapie, Gestalttherapie, Psychodrama und weitere) setzt auf die Selbstakzeptanz, das Wachstum der Persönlichkeit und die entsprechenden Ressourcen. Bei psychischer Belastung  und Stress stärken gerade erlebnisorientierte Interventionen unter Einbeziehung von Körper und Emotionen die innere Widerstandsfähigkeit.

Die sich mehr und mehr etablierende Systemische Therapie steuert dazu vor allem die Beachtung des Kontextes bei. Resilienz wächst nicht nur durch Stärkung der der intrapersonellen Ressourcen. Effektivere und selbstbewusste Interaktionen mit dem sozialen Umfeld sichern Resilienz nicht nur in der Person, sondern in Neugestaltungen von Beziehungen und weiteren Kontakten aller Art im sozialen Feld.

Schlüsselaspekte für Resilienzförderung

Welche Fähigkeiten werden in Therapie, Training oder Psychoedukation speziell gefördert, um die innere Widerstandsfähigkeit von Menschen zu verbessern? Die wichtigsten seien folgend genannt:

  • Identifizieren und Überwinden von stressigen Situationen und psychischen Belastungen 
  • Strategien zur Problemlösung entwickeln und einüben
  • Gutes Selbstgefühl und Selbstfürsorge aufbauen und im Alltag verankern
  • Persönliche Stärken entwickeln und das Selbstbild verbessern

Es wird deutlich, warum Achtsamkeitstraining im Kontext von Resilienz so häufig genannt wird: Es ist eine Basis, um die gerade genannten Ziele zu verwirklichen. Achtsamkeitsübungen lassen sich auch in Therapiesitzungen an passender Stelle gut integrieren. Nicht alle Aspekte können belastete Menschen für sich selbst realisieren: Ihnen sollten Sie als Psychotherapeuten helfen, verlässliche und tragfähige Bindungen einzugehen und ein soziales Netzwerk aufzubauen. Dies setzt auch Entwicklung guter Kommunikation, Selbst- und Fremdwahrnehmung voraus.

Von Menschen mit hoher Resilienz weiß man, dass sie Sinn in ihrem Leben und auch in schwierigen Situationen finden. Sie gehen daher mit optimistischer Gelassenheit durchs Leben.

Hierfür ist es bei belasteten Menschen wichtig, destruktive Denk- und Handlungsmuster aufzuzeigen und in konstruktive und nährende zu wandeln. Dazu gehört Flexibilität und Bereitschaft, konstruktive Lösungen zu kreieren und zu leben.

Ein Fazit

Resilienz ist wie hier gezeigt kein starres Merkmal, welches der eine mitbringt und das dem anderen fehlt. Es stimmt durchaus, dass die ersten 1000 Tage eines Menschenlebens, beginnend im Mutterleib, für die Resilienz sehr prägend sind. Dennoch lassen sich wie auch bei Menschen mit frühkindlichen Störungen durch stimmige Interventionen Veränderungen und Fortschritte erzielen. Damit ändert sich nicht nur der Blick auf die eigene Persönlichkeit – es ändert sich der Blick auf das gesamte Umfeld. Carl Gustav Jung formulierte es bereits vor 100 Jahren so: „Wir sind nicht Opfer der Welt, die uns umgibt, sondern Opfer der Art und Weise, wie wir sie sehen.“

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Wir möchten ausdrücklich darauf hinweisen, dass alle Personenbezeichnungen für alle Geschlechter gelten.

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